Ohne Navigationssystem startet heute kaum ein Camper in den Urlaub. Und auch der dicke Stellplatzführer im Handschuhfach ist längst der entsprechenden App gewichen. Eine Studie im Auftrag der Erwin Hymer Group zeigt: Connectivity wird das Camping in der nächsten Dekade radikal verändern.
Bis Camper am Abend die Koordinaten ihres nächsten Urlaubsziels eingeben, sich in die Koje legen und am nächsten Morgen am Stellplatz inklusive Meerblick wieder aufwachen, wird es wohl noch lange dauern. Viele Technologien aber, die im Zusammenspiel diese Zukunftsvision ermöglichen sollen, kommen bereits in den nächsten Jahren zum Einsatz – und sorgen für mehr Sicherheit und Komfort im Camping-Urlaub. Zu diesem Ergebnis kommt die 2018 veröffentlichte Studie „Connected Mobile Home“ der Erwin Hymer Group.
Die Studie untersuchte die Vernetzungstrends der Caravaning-Branche in drei Stufen: Zunächst wurden Experten in einem Workshop um ihre Einschätzung gebeten, anschließend die Connectivity-Trends aus dem Pkw-Bereich auf den Markt für Wohnmobile übertragen und im dritten Schritt aktuelle oder angehende Camper nach ihrer Meinung befragt. Dabei unterscheidet die gemeinsam mit dem Center of Automotive Management (CAM) durchgeführte Studie drei Technologiefelder: Interface & Vernetzung, Fahrerassistenzsysteme & Autonomes Fahren sowie Mobilitätsdienstleistungen.
Dem Markt für Connected Mobile Homes sagt die Studie glänzende Wachstumsperspektiven voraus: Von aktuell etwa 100 Millionen Euro soll der Jahresumsatz in Europa bis zum Jahr 2025 auf etwa 300 Millionen Euro ansteigen. Mehr als zwei Drittel dieses Umsatzes entfallen dabei auf das Technologiefeld Interface & Vernetzung. Immer vielfältigere Lösungen werden unter dem Stichwort „Smart Camper“ in den nächsten Jahren zentral gesteuert – entweder von einer Bedienungseinheit im Fahrzeug oder von einem mobilen Endgerät aus. Einige Beispiele:
• Aktivierung der Alarmfunktion bei Gasaustritt
• Fahrzeugverriegelung
• Klimaanlage
• Die Übertragung von interessanten Reisezielen ins Navigationsgerät
• Die Online-Buchung des nächsten Stellplatzes
Schon bei den nächsten Fahrzeuggenerationen werden Touchscreens und die Fernbedienung und -abfrage von Funktionen wie Frischwasserstand oder Abwasser zum technologischen Standard gehören. Den Nutzern sind dabei besonders die Funktionen wichtig, die mehr Sicherheit versprechen: Alarmanlagen, Einbruchsicherungen oder GPS-Ortungsmöglichkeiten für den Fall, wenn das Wohnmobil gestohlen sein sollte.
Wer auf langen Fahrten zu fernen Urlaubsorten unterwegs ist, lernt den Komfort- und Sicherheitsnutzen durch Assistenzsysteme wie den Seitenwindassistenten oder den adaptiven Abstandstempomaten zu schätzen. Viele davon sind inzwischen auch für Wohnmobile verfügbar. Auch hier steht die Branche vor einem Technologiesprung: Aktiver Spurhalte-Assistent und adaptiver Tempomat gehören schon bald zum Standard-Repertoire für eine angenehme Anreise, bei der Stau-Assistenten auch den Stop-and-Go Verkehr bewältigen. In etwa zehn Jahren wird auch der Highway-Assistent verfügbar sein, der auf der Autobahn ein teilautonomes Fahren ermöglicht und den Fahrer entlastet. Am Urlaubsort angekommen helfen Park-Assistenten beim Rangieren in enge Stellplätze. 360-Grad-Kameras behalten jederzeit den Überblick, was rund um das Fahrzeug geschieht.
Digitalisierung ermöglicht neue Nutzungs- oder Besitzmodelle. Wohnmobil-Sharing von Peer zu Peer wird immer populärer. Es entlastet die Eigentümer und macht die Wohnmobilnutzung effizienter. Dank webbasierter Vermittlungsportale finden private Besitzer und Nutzer zueinander. Mit Mobilitätsdienstleistungen können künftig auch Hersteller punkten: Planungs- und Fahrtassistenten, die dem Urlaub noch mehr Erlebnisqualität verleihen, gehören in Zukunft ebenso zum Angebot wie exklusive Stellplätze für Kunden an den besonders nachgefragten Destinationen. Im Zeitalter der Vernetzung will jedenfalls kein Camper mehr vor einer wegen Überfüllung geschlossenen Platzschranke stehen. Dabei wird es möglich sein, die entsprechenden Dienstleistungen nur bei Bedarf online freischalten zu lassen: „Pay-per-Use“ wird für viele digitale Produkte zum Standard.
Die Studie zeigt, dass auch beim Camping gilt: Wer einmal von digitalen Anwendungen profitiert hat, will sie nicht mehr missen. Und wer im Kompaktauto den Einparkassistenten nutzt, will diesen Komfort auch beim mehr als doppelt so langen Wohnmobil genießen. Je mehr Funktionen ein Wohnmobil hat, desto wichtiger wird es, sie zu vernetzen und intuitiv bedienen zu können. Die Erwin Hymer Group investiert aus diesem Grund zunehmend in die Entwicklung von Software und Mobilitätsdienstleistungen. Weil nur Hersteller, die jetzt die Weichen stellen, beim Camping 4.0 ganz vorne dabei sein wird.
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